Nicht zuletzt die Coronakrise hat gezeigt, wie wichtig gesellschaftliche Solidarität, neue Formen der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit und virtuelle Bildungsräume sind. In dieser Online-Veranstaltung tauschten sich rund 60 TeilnehmerInnen aus verschiedenen Regionen Österreichs aktiv über regionale Klimagerechtigkeit aus. Dazu gesellten sich noch Unzählige, die im Livestream passiv mit dabei waren.
Die Vorträge zum Nachsehen
- 0:00:00 Intro und Vorstellung (Kornelia Senzenberger, DorfUni / Transition Austria)
- 0:08:02 Vortrag: Was ist die DorfUni? (David Steinwender, DorfUni / Transition Austria)
- 0:28:34 Vortrag: Was bedeutet Klimagerechtigkeit? (Nino Gamsjäger, System Change not Climate Change)
- 0:42:08 Fragen und Antworten zu den ersten Vorträgen
- 0:45:36 Kleingruppenarbeit zum Thema Klimagerechtigkeit
- 0:49:44 Ernte der ersten Kleingruppe
- 1:01:12 Einstieg nach der Pause
- 1:03:19 Die Energiewende als regionale Gemeinschaftsaufgabe (Univ.-Prof. Gernot Stöglehner, Boku Wien)
- 1:22:19 Energiemosaik (Univ.-Prof. Gernot Stöglehner, Boku Wien)
- 1:30:49 Fragen und Antworten zum Vortrag
- 1:37:05 Kleingruppenarbeit zum Vortrag
- 1:39:40 Ernte der zweiten Kleingruppen
- 2:06:12 Schlussgedanken aller …
- 2:13:58 Verabschiedung
Inhaltliche Zusammenfassung
Kornelia Senzenberger sorgte für die dynamische Moderation der Veranstaltung, die aus einer aufschlussreichen Einführung zu den Beweggründen der DorfUni (David Steinwender) sowie spannenden Impulsvorträgen von Nino Gamsjäger (System Change not Climate Change) und Univ. Prof. Gernot Stöglehner (BOKU Wien – Energiewende als regionale Gemeinschaftsaufgabe) bestand. Darüber hinaus wurde in Kleingruppen, mit TeilnehmerInnen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, über die Relevanz, die Herausforderungen und Lösungsansätze für mehr Klimagerechtigkeit auf lokaler Ebene gesprochen. Die Ergebnisse dieser Gespräche wurden mittels eines großen virtuellen Plakats gesammelt und in einen lebendigen Dialog mit den Vortragenden gebracht.
Als Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft näherte sich Nino Gamsjäger dem Thema der regionalen Klimagerechtigkeit durch das Beispiel der ungleichen Verteilung der Verantwortung für den Klimawandel im Sinne einer Klimaungerechtigkeit an. Während die westlichen Industrienationen einen weitaus höheren Anteil an dessen Verursachung hätten, würden südliche Länder mehr unter seinen Folgen leiden. Bei den unterschiedlichen Strategien zur Bekämpfung der Klimakrise kritisierte er so genannte „grüne Lügen“ wie die CO2e-Kompensation von Flügen, wodurch unter anderem sozial bedenkliche Projekte in indigenen Territorien unterstützt werden würden. Auf diese Weise zeigte er den Weg vom grünen Wachstumszwang zum Systemwandel ganz im Sinne von „System Change not Climate Change“ auf. Die Klimagerechtigkeitsbewegung soll auf einen sozial gerechten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen hinarbeiten, und auf einer strukturellen Ebene zur Entwicklung von Alternativen wie dem Guten Leben für alle beitragen.
In den anschließenden Diskussionen der Kleingruppen wurde wie vom Vortragenden auf die Bedeutung des Mottos „Global Denken, Lokal Handeln“ hingewiesen. So wurde herausgearbeitet, dass die Frage der Klimagerechtigkeit auf lokaler Ebene oft schwer greifbar ist, da die Auswirkungen in anderen Gebieten und Erdteilen ausgeprägter sind. Für die regionale Klimagerechtigkeit brauche es daher konkrete Umsetzungen etwa in Form von BürgerInnenräten, die das Thema als Handlungsauftrag zu den politisch Verantwortlichen tragen könnten. Die Klimafrage dürfe nicht als Verkürzung des Umwelthemas in der Reduktion von Treibhausgasen gesehen werden, sondern müsse im Sinne der Notwendigkeit eines Strukturwandels und von Gemeinwohlorientierung interpretiert werden. Dafür wären das Sichtbarmachen von bestehenden Initiativen und die Stärkung von Kooperationen hilfreich – wozu die DorfUni einen aktiven Beitrag leisten will.
Beim Vortrag von Univ. Prof Dr. Gernot Stöglehner stand die ökologische Energiewende am Beispiel der nachhaltigen Energieraumplanung im Mittelpunkt. Der ökologische Fußabdruck von Österreich umfasse, gemäß dem Global Footprint Network, derzeit zirka drei Erden und ein großes Problem sei dabei das von der Vergangenheit geborgte Land – durch heute nicht mehr erneuerbare fossile Ressourcen. Er stellte die Energiewende als eine gesellschaftliche Mammutaufgabe dar, und führte bestimmte Raumentwicklungen seit den 1990ern als Negativbeispiele für den hohen Energie- und Ressourcenverbrauch in Österreich an. Diese hätten etwa durch den Bau von peripheren Einkaufszentren zu einer steigenden Abhängigkeit vom Autoverkehr in der Grundversorgung, beim gleichzeitigen Attraktivitätsverlust von Innenstädten und Ortskernen sowie zu erhöhten Flächenverbrauch geführt.
Zur Formulierung von künftigen Strategien zur Energiewende und zum Klimaschutz stellte er ein Forschungsprojekt der Universität für Bodenkultur vor, welches der Öffentlichkeit in Form einer Karte und einer kommunalen Datenbank zur Verfügung steht. Das Energiemosaik Austria stellt den Energieverbrauch und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen aller österreichischen Städte und Gemeinden detailliert dar. Das Energiemosaik umfasst alle raumgebundenen Nutzungen (Wohnen, Land- und Forstwirtschaft, Industrie und Gewerbe, Dienstleistungen) und die damit verbundenen Mobilitätsbedürfnisse. In der Datenbank sind demnach alle Verbraucher von Energie und alle Verursacher von Treibhausgasemissionen gleichwertig abgebildet (vgl. Website Energiemosaik).
Aus dem Modell geht hervor, dass Städte einen sehr hohen Energieverbrauch haben und geringe Möglichkeiten erneuerbare Energie zu produzieren, wodurch im ländlichen Raum ein Energieüberschuss erzielt werden muss, um den Energietransfer zu gewährleisten. Nach Dr. Stöglehner liegt die Stärke der Städte in der Energieeffizienz, während jene des ländlichen Raumes die Erzeugung von erneuerbarer Energie ist. Die Städte haben also ein energetisches Hinterland, und schaffen selbst keine Energieneutralität. Für energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen sind demnach Funktionsmischungen, kurze Wege und generell die richtige Standortwahl in der Energieraumplanung (Fernwärmeversorgung und klimafreundliche Mobilität) zu berücksichtigen. Demnach kann die Energiewende nur in lokaler und regionaler Kooperation funktionieren, weil klimaneutrale Orte aufgrund diverser räumlicher Verhältnisse und unterschiedlicher Möglichkeiten der Energieproduktion nicht immer möglich, sondern nur als kommunale Gemeinschaftsaufgabe von Regionen zu erreichen sind.
Die TeilnehmerInnen suchten danach Anknüpfungspunkte zum Energieverbrauch in ihren Regionen. Als positives Beispiel für die Industrie in der Mittelsteiermark wurde die Papierfabrik Gratkorn erwähnt, welche durch Abwärme aus dem Betrieb Energie für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellt und dadurch etwas von ihrem hohen Energieverbrauch kompensiert. Hervorgehoben wurden Mikro-ÖV-Konzepte als Alternative zum motorisierten Individualverkehr in den Regionen (z.B. IST-Mobil). Spannende Beiträge kamen aus Vöcklabruck in Oberösterreich und dem Weinviertel in Niederösterreich, aus denen Erfahrungswerte zur Verbesserung der sozialen Integration von älteren Menschen durch die Organisation von Anrufsammeltaxis geteilt wurden. Darüber hinaus wurden Vorschläge für den Ausbau des Radverkehrs (etwa durch das Verleihen von Elektrolastenfahrrädern) eingebracht.
Als gemeinsame Ernte nahmen sich die TeilnehmerInnen neue Ideen zur Steigerung der regionalen Klimagerechtigkeit und wertvolle Werkzeuge zur Bestimmung des Energieverbrauchs (Energiemosaik) mit. Es wurde der Wunsch geäußert, bei zukünftigen Veranstaltungen mehr Zeit zur Erarbeitung von konkreten Umsetzungsideen zur Verfügung zu haben. Rückmeldungen zu unseren Veranstaltungen und Erfolgsbeispiele für gelingende Kooperationen sind bei der DorfUni herzlich willkommen – die Impulse für lokale Bildungsprozesse und die Initiativen für neuen Bildungsteams kommen aus den Regionen und werden von uns unterstützt.
Im Radio
Die Einführung zur DorfUni und der Vortrag „Energiewende als Gemeinschaftsaufgabe“ von Univ.-Prof. Gernot Stöglehner sind auch im ersten Teil der Sendung experiment. (Radio Helsinki) nachzuhören.
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